Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Ostdeutschland wurde die Beziehung zwischen Staat und Kirche neu geregelt. Die Konsequenz war ebenfalls eine Redefinition der Beziehung von Kirche und Gesellschaft. In diesem Artikel konzentrieren sich die Autoren beispielhaft auf einen Aspekt im Zusammenhang dieses Wandels: die Gefängnisseelsorge in ostdeutschen Gefängnissen. Dabei schlagen sie einen Vergleich zur Einführung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen vor. Sie beschreiben die spezifischen Bedingungen der gegenwärtigen gesellschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der Gefängnisseelsorge in Ostdeutschland, portraitieren fünf Gefängnisseelsorger und analysieren Interviews, die mit ihnen gemacht wurden. Sie fokussieren auf drei Arten von Spannungen, die als charakteristisch für den ostdeutschen Kontext angesehen werden können und mit denen die Gefängnisseelsorger und –seelsorgerinnen einen Umgang finden müssen: ihre konfessionelle Identität, die in staatliche Strukturen eingebettet ist, die Hilfe in einer hochsäkularisierten Gesellschaft anbieten; ihr Rückgriff aus in der DDR gemachte Erfahrungen, als sie mit dem neuen Staat kooperieren mussten; und schließlich die Neujustierung der Beziehung von Gefängnis und der Gesellschaft außerhalb der Gefängnismauern.